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Ein Tag in unserem Leben

5. September, 2015

Annika und Roberto von Tasting Travels hatten eine tolle Idee: Sie waehlten einen Tag aus (5. September 2015) und luden fahrradreisende Freund_innen ein, diesen Tag zu dokumentieren: Radelzeiten, gefahrene km, Essen, Begegnungen, Probleme, Herausforderungen und so weiter. Wir entschlossen uns sofort, mitzumachen. Dann kam der 5. September und wir fingen damit an, eine Menge Fotos zu machen. Mehr als wir sonst machen – was irendwie auch ein bisschen anstrengend war. Dazu waere es gut gewesen, alle moeglichen Gedanken, Probleme und wunderbare kleine Dinge, die uns passiert sind, aufzuschreiben, um sie nicht zu vergessen. Tja, so diszipliniert sind wir leider nicht. Wir verbrachten den Abend und die naechsten Tage mit wunderbaren Gastgeber_innen und erholten uns von 5 anstrengenden Radeltagen. Und so verging einige Zeit und so ca. eine Woche spaeter fiel uns auf, dass eine unserer Kameras weg ist und mit ihr eine Menge Bilder.

Das ist also eine Art Kompromiss – hier kommt der 5. September so gut wir uns eben an ihn erinnern ;):

(der Post kommt ungefaehr 2 Monate spaeter, da der Blog etwas hinterherhinkt)

5:45 Uhr: Unser Wecker klingelt zum ersten Mal. Und dann viele weitere Male. Achja, die geliebte Snooze-Funktion!

7:00 Uhr: Wir stehen tatsaechlich auf. Es ist ein weiterer sonniger Tag in Home Hill, noerdliches Queensland, Australien. Letzte Nacht haben wir unser Zelt auf den Showgrounds (Platz fuer diverse Maerkte, Tierschauen) in Home Hill aufgestellt. Auf vielen Showgrounds in Australien kann man campen, wenn dort gerade nichts los ist. Wir schaetzen besonders die Duschen und Toiletten fuer wenig Geld.

107:20 Uhr: Wir sind mitten im taeglichen Packprozess. Unser ‘Haus’ muss in die Taschen passen, also rollen und stopfen wir die Schlafsaecke und Matten, bauen das Zelt ab und alles wird in den Taschen verstaut. Ueblicherweise machen wir das vor dem Fruehstueck, damit es danach schneller geht.

27:40 Uhr: Torsten macht Kaffee auf dem MSR Whisperlite – etwas auf das wir selten verzichten. Da es ziemlich windig ist, brauchen wir den Windschutz. Neben Kaffee gibt es morgens meistens Muesli. Da wir nur noch Haferflocken haben, wuerzen wir diese mit ein bisschen Chaigewuerz – gar nicht schlecht!

3408:40 Uhr: Alles ist gepackt, die Wasserflaschen sind voll und wir koennen los!

509:00 Uhr: Heute folgen wir dem Bruce Highway bis nach Townsville. Die Sonne scheint kraeftig und wir sind jeder Wolke am Himmel fuer eine kleine Sonnenpause dankbar. Queensland wird auch der Sonnenscheinstaat genannt und bis jetzt stimmt das absolut. Wir hatten ueberdurchschnittlich gutes Wetter bisher.

609:30 Uhr: Wir halten schon bald wieder an, um bei einem Coles Supermarkt Essen einzukaufen. Lisi hat schon wieder Hunger und fruehstueckt anschliessend gleich zum zweiten Mal. Dieses Mal gibts frisches Brot und leckeren Weichkaese mit Pfeffer (war im Angebot 😉 ) und dazu Saft.

10:30 Uhr: Und es geht weiter. Dunkle Wolken haengen ueber uns, aber wir bleiben trocken.

7Um uns rum waechst Zuckerrohr, was die beliebteste Feldfrucht in der Gegend zu sein scheint. Auf dem Fahrrad kann man das auch riechen – es liegt fast dauernd ein Karamellduft in der Luft!

8Leider sehen wir auch viele tote Tiere auf der Strasse, meistens Kaengarus und Wallabies (eine Art kleines Kaengaru). Meistens riechen wir sie bevor wir sie sehen – ein totes Tier riecht ziemlich stark in diesem heissen Klima.

 12:20 Uhr: Mittagspause mit Obst. Ein grosser Obstladen neben der Strasse laedt uns ein, ihre Picknicktische zu benutzen – super! Heute gibt es naemlich ausnahmsweise mal keine Raststaetten mit Tischen und Schatten. Neben frischem Obst gibt es Baguette, Nutella, Marmelade, Kaese… also unser uebliches australisches Mittagessen, wenn wir nicht noch was vom Abend vorher uebrig haben.

13:30 Uhr: Das Land um uns rum ist sehr trocken und Buschbraende sind nicht unueblich. Strassen wirken oft als Feuerschneisen und so sieht es auf unserer rechten Seite ganz braun und abgebrannt aus und links ueppig und gruen.

9 1014:20 Uhr: Nur noch 37km! Und uebrigens – falls ihr nach euren Zielen (Aims) im Leben sucht – die sind nur 16km entfernt! 😉

1114:30 Uhr: Ein Platten, der dritte in drei Tagen, das nervt! Aber was koennen wir schon machen? Die Schwalbe Marathon Reifen warten in Cairns!

15:15 Uhr: Eine Raststaette mit Stuehlen tuts als Pausenplatz – wiegesagt, mit Picknickplaetzen siehts heute eng aus. Wir essen unsere Ananas und andere Fruechte, die bei heissen Wetter besonders gut schmecken. Dazu gibt es Kekse und irgendwie koennen wir der Versuchung von ueberteuerten Tankstelleneis widerstehen.

 16:30 UhrTrotz des Plattens kommen wir frueher in Townsville an als gedacht. Und da es heiss und schwuel war, haben wir Lust auf eine kleine Pause bevor wir uns auf den Weg zu unserer Gastgeberin machen. Also goennen wir uns einen Kaffee bei Hungry Jacks (mit einem kleinen schlechten Gewissen). Manchmal tut es gut, ein bisschen Zeit fuer sich zu haben und nicht viel zu tun.

16:50 Uhr: Wir kaufen etwas Essen und Wein fuer ein gemeinsames Abendessen ein. Coles verkauft hier keinen Alkohol, also stolpern wir auf unserer Suche auf einen Drive-Through-Alkoholladen. Hier kann man im Auto sitzen bleiben waehrend sich jemand um alle alkoholischen Beduerfnisse kuemmert. Da muss ich doch kurz schmunzeln.

17:20 Uhr: Endlich kommen wir bei unserem Ziel fuer heute an: Kay, unsere warmshowers-Gastgeberin, heisst uns herzlich willkommen und wir koennten uns gar nicht mehr zuhause fuehlen. Sie und ihr Mann haben ein wunderbar inspirierendes Haus: Es ist in einer Weise gebaut, dass Luft auf natuerliche Art hindurchstroemt und das Haus ganz ohne Elektrizitaet kuehlt. Es ist umgeben von heimischen Pflanzen, einem gruenen Garten und einem Pool! All diese Annehmlichkeiten muessen aber auf einen anderen Tag warten. Heute machen wir es uns in unserem gemuetlichen Gaestezimmer bequem und lernen Kay mit einem Glas Wein und Snacks kennen, waehrend wir gemeinsam das Abendessen zubereiten.

12 13Heute war ein guter Tag. Wir sind 98km gefahren, was relativ einfach war (flach und manchmal sogar Rueckenwind). Ja, wir haetten nateurlich frueher aufstehen und so die schlimmste Hitze vermeiden koennen und irgendwann tun wir das vielleicht auch. Es ist nicht viel passiert heute, der Grossteil des Tages bestand aus ruhigem Fahrradfahren am immer gleichen Highway entlang.

Aber trotzdem gab es all die grossen und kleinen Dinge, die aus einem normalen Tag einen perfekten Fahrradtag machen: genug Sonne um sich gut zu fuehlen, genug Wolken, um Pause von der Sonne zu haben, lustige Strassenschilder, ein leckerer Obststand mit einem Tisch im Schatten, Autofahrer_innen, die uns ‘Daumen-hoch’ signalisieren und nicht zuletzt, dass wir uns koerperlich gut fuehlen. Und dann duerfen wir Kay treffen und fuehlen uns wunderbar wohl in ihrer Gesellschaft. Es ist wie nach Hause kommen nach einem Ausflug und das ist genau das, was heute perfekt macht. Und dann gibt es noch Birnen-Crumble als Nachspeise – mmhhh!!!

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Schlechtes Bauchgefuehl in Bowen

p1110929Unser Gastgeber Peter erzaehlt uns, dass Bowen ein grossartiger Ort ist, um das Great Barrier Reef direkt vom Strand aus zu sehen. Normalerweise muss man eine teure Tour buchen und wird mit einem Boot an Stellen gefahren, wo man schnorcheln oder tauchen kann. Aber in Bowen kann man vom Strand aus schnorcheln, da das Reef  direkt hier anfaengt. Klingt super!

p1110908Also radeln wir auf meist ruhigen Strassen nach Norden, campen einmal mit 50 anderen Menschen und einmal alleine in einem ausgetrockneten Flussbett. Wir kaempfen mit Gegenwind und die letzten Kilometer bis nach Bowen ziehen sich extrem. Es klappt schon besser mit meiner Motivation, aber an einem gewissen Punkt ist Gegenwind einfach nur noch anstrengend.

p1110949In Bowen radeln wir zu einem Campingplatz, da die lokale Verwaltung Wildzelten streng verbietet. Die Stadt erscheint uns ziemlich touristisch, was sich vor allem in den hohen Preisen fuer alles wiederspiegelt. Wir entscheiden uns also fuer den billigsten Campingplatz, nur um bei unserer Ankunft herauszufinden, dass die Rezeption geschlossen ist. Als ich die angegebene Telefonnummer anrufe, geht niemand ran, so dass ich nur eine Nachricht hinterlasse. Besonders gut gefaellt es uns hier ohnehin nicht – es gibt fast keinen freien Platz mehr und erinnert insgesamt eher an einen ueberfuellten Parkplatz aus. Aber irgendwo muessen wir ja bleiben. Also warten wir eine halbe Stunde, aber auch dann tut sich nichts in der Rezeption. So langsam frustriert uns das etwas, da wir eigentlich nur unser Zelt aufbauen wollen, das Gepaeck abladen und dann zum Strand fahren, um zu schnorcheln. Ich versuche ein zweites Mal anzurufen, aber auch diesmal geht niemand ran.

Also entscheiden wir uns, Kaffee zu machen und etwas zu essen. Und zu duschen. Ich fuehle mich nicht ganz wohl, einfach die Dusche zu benutzen, ohne vorher eingecheckt zu haben, aber Torsten meint, dass wir ja ohnehin gleich einchecken. Also duschen wir und das war die beste Idee seit langem!

Nach ungefaehr eineinhalb Stunden wollen wir nicht laenger warten und entscheiden uns, einfach so zum Strand zu fahren. Schoen ist es hier ohnehin nicht und teuer obendrein. Vielleicht passt es daher ganz gut, nach dem Schnorcheln einfach aus der Stadt rauszufahren und uns einen Ort zum Zelten zu suchen. Natuerlich – gerade als wir aus dem Campingplatz rausfahren – kommt die Eigentuemerin im Auto angefahren und fragt mich laessig, ob ich versucht habe, sie zu erreichen. Ohne auch nur zu erklaeren, warum sie mich nicht zurueckgerufen hat. Wie auch immer, ich frage trotzdem, wie teuer eine Nacht im Zelt ist und als wir hoeren, dass es sogar noch teurer ist als gedacht, fahren wir endgueltig weiter.

p1110951Also, auf zum Strand – dafuer sind wir schliesslich hergekommen! Als wir endlich da sind, kann ich nur noch lachen: Wir unterhalten uns mit ein paar Leuten, die gerade schnorcheln waren. Sie erzaehlen uns, dass das Wasser ganz trueb ist und man fast nichts sieht. Tja, soviel zu diesem Plan.

Es ist schon lustig manchmal: Normalerweise interessieren uns die typischen touristischen Angebote und Sehenswuerdigkeiten nicht besonders. All die kleinen Dinge, die wir taeglich entdecken oder die Menschen, denen wir begegnen, sind viel spannender! Wir sind beide gerne spontan und lassen uns ueberraschen, was der Tag so bringt. Aber manchmal lassen wir uns eben doch von dem ein oder anderen touristischen Angebot in den Bann ziehen – wie eben Schnorcheln in Bowen. Und wie zu erwarten ist es insgesamt eher stressig.

Sobald wir uns entspannen und unsere Plaene ueber Bord werfen, ist es eigentlich ganz schoen. Der Strand ist nett und nach einem Snack gehen wir schwimmen und unterhalten uns mit einem Anwohner, der total begeistert ist, hier zu wohnen und jeden Tag schwimmen gehen zu koennen. Und gerade als wir gehen wollen, treffen wir einen anderen Bewohner Bowens, der uns nach einem kurzen Gespraech einlaedt, in seinem Garten zu zelten. Wir nehmen begeistert an und so geht diese komische Tag weiter.

p1110952Im Laufe der naechsten Stunden machen wir Abendessen fuer uns und unseren Gastgeber und hoeren mehreren Monologen zu. Schliesslich erfahren wir, dass der Holocaust eine grosse juedische Luege war und totaler Bloedsinn ist. Unser Gastgeber ist uebrigens selbst Jude.

Wir versuchen zu diskutieren, zu verstehen woher sein Blickwinkel kommt. Aber wir reden gegen eine Wand. Torsten geht irgendwann einfach, aber ich bleibe. Hoere hoeflich zu, probiere Argumente aus, versuche meinen Weg aus dieser Diskussion zu finden. Meine Grundwerte und Ueberzeugungen werden angegriffen und mein Magen dreht sich um. Endlich sage ich, dass es reicht und wir sagen gute Nacht.

Ich moechte einfach nur noch schlafen, am besten mit einem Kissen ueber dem Kopf. Aber Torsten ueberzeugt mich, zum nahegelegenen Strand zu gehen und zu reden. Und wir tun genau das und es tut gut. Wir reden darueber, wo unsere Grenzen liegen und dass es manchmal schwierig ist, diese Grenzen aufrecht zu erhalten, wenn man in ein anderes Zuhause eingeladen wird. Wir sprechen darueber, dass wir auf dieser Reise von vielen Menschen lernen wollen und dass es manchmal richtig und wichtig ist, zuzuhoeren und manchmal genauso wichtig, zu sagen, was wir denken und brauchen. Es wird immer wieder ein Balanceakt sein, aber das war heute definitiv eine Lernerfahrung im Grenzen setzen.

p1110954Jetzt und hier, mit dem Geraeusch der Wellen und dem Sand unter meinen Fuessen, bin ich wieder ruhig und sehr dankbar dafuer. Verrueckter Tag.

Seeliges Nichtstun in Mackay

p1110875_v1Nach einsamen Tagen voller Kuhweiden, Sonne und Huegeln, sind wir endlich wieder unter Menschen. Wir kommen bei unserem Gastgeber Peter an, als er gerade unterwegs ist, aber laut seiner SMS sollen wir es uns schon mal gemuetlich machen. Er und seine Frau Jacki leben in einem tollen Queenslander Haus und wir fuehlen uns in dem luftigen Gebaeude zwischen Palmen und Bananenbaeumen sofort wohl.

Am ersten Abend nimmt uns Peter zu einem gemuetlichen Treffen mit ein paar Freund_innen mit. Alle sind irgendwie im umweltpolitischen Bereich aktiv und es ist spannend, sie mit Bier und selbstgemachter Pizza kennenzulernen. Leider bin ich nach den letzten Tagen auch ziemlich muede, so dass wir uns relativ frueh schon wieder verabschieden.

p1110847Am naechsten Tag, nach einem langen Fruehstueck, radeln wir alle gemeinsam an den Fluss wo ein Botsrennen mit lustigen selbstgebauten schwimmbaren Untersaetzen stattfinden sollte. Und lustig war es tatsaechlich – verschiedene Gruppen (Firmen, Uni, Vereine) haben Boote zusammengeschustert und bewerfen sich gegenseitig mit verfaultem Gemuese bevor sie eine kleine Runde ueber den Fluss schippern.

p1110863Danach radeln Torsten und ich fuer eine Weile auf wunderschoenen Rad- und Fusswegen am Fluss entlang und entdecken unterwegs den botanischen Garten. Aber irgendwie sind wir heute beide extrem muede und nicht so sehr in Entdecker_innenlaune. Also entschliessen wir uns, Essen einzukaufen und dann wieder ‘nach Hause’ zu fahren und zu entspannen. Und genau das tun wir: Mit ein oder zwei Kaffees und einem Buch, das ein ehemaliger Gast in unserem Zimmer gelassen hat, mache ich es mir auf dem Balkon gemuetlich und lese.

p1110861Manchmal faellt es mir auf Reisen schwer, ohne schlechtes Gewissen nichts zu tun. Es gibt immer etwas zu sehen, neue Staedte zu entdecken, mehr Wege zu erwandern, andere Straende zu geniessen und neue Menschen zu treffen. Aber wie ich schon sagte, unsere Reise fuehlt sich in letzter Zeit manchmal ein bisschen wie ein Vollzeitjob an, weil wir konstant Dinge tun. Und ich brauche mehr Zeit, um Erlebnisse zu verarbeiten – genau wie mein Koerper Pausen braucht, um wieder Energie zu schoepfen. So werden wir in den naechsten Tagen nicht viel tun, ausser Lesen, mit unseren grosszuegigen Gastgeber_innen reden, Essen und Kaffee trinken. Wieder mal genau das was wir brauchen.

Neue Gewohnheiten – die Siesta kommt!

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Aufwachen neben Palmen

Heute wache ich ganz erholt auf – ausnahmweise mal ohne Wecker. Nachdem ich noch ein bisschen im Bett liegen bleibe, schaue ich auf die Uhr und denke, dass es schon ziemlich spaet sein muss. Und sehe, dass es noch nicht mal 8 Uhr morgens ist. Und ich habe ausgeschlafen!

Ich erinnere mich noch, wie ich als Jugendliche unglaeubig meinen Eltern zugehoert habe, als sie ueber ihre Wochenendgewohnheiten gesprochen haben und meinten, dass sie heute mal richtig ausgeschlafen haben. Bis 8 oder 9 Uhr. Das war voellig unverstaendlich fuer mich, da Ausschlafen mindestens bis 10 oder 11 Uhr schlafen heisst! Mindestens!

Tja und hier bin ich nun, einige Jahre spaeter und fuehle mich erholt und bereit, den Tag anzufangen. Um 8 Uhr morgens. Was mich zum Nachdenken ueber veraenderte Gewohnheiten bringt.

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Die Temperaturen steigen

Ich erinere mich, dass wir am Anfang unserer Tour darueber gesprochen hatten, dass es eigentlich sinnvoll waere, frueher aufzustehen, um mehr Tageslicht zu haben. Und spaetestens, wenn es dann zu warm wird, um mittags Fahrradzufahren, muessten wir wirklich frueher aufstehen. Aber das war ja noch lange weg.

Tja und hier sind wir nun. Seitdem wir vor ein paar Tagen inland Richtung Zentral-Queensland abgebogen sind, trage ich mein leichtestes Fahrradshirt, creme mich mehrmals am Tag mit SPF50 Sonnencreme ein und habe heute grosse Lust auf einen Mittagsschlaf. Es ist einfach zu heiss zum Radeln.

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Morgenlicht

Also machen wir unsere erste Siesta (laaange Mittagspause) und schaffen es tatsaechlich, am naechsten Tag um 6 Uhr aufzustehen. Bis wir gefruehstueckt, unser Zelt und alle Taschen gepackt haben, vergehen immer noch zwei Stunden und so ist es 8 Uhr als wir losfahren. Aber das Radeln am Morgen ist angenehm.

Es ist nicht gerade leicht fuer mich, frueh aufzustehen und gleich produktiv zu sein – vor allem regelmaessig. Ich fange meine Tage gerne langsam an, mit einem gemuetlichen Fruehstueck, einem oder zwei Kaffees und vielleicht ein paar Seiten in einem guten Buch. Aber das scheint einfach nicht mit Fahrradreisen in einem heissen Klima zusammen zu passen. Torsten schlaegt vor, dass ich diese gemuetliche Morgenzeit einfach auf mittags verlegen soll. Das werde ich die naechste Zeit versuchen und es klingt schon irgendwie besser, als in der bruetenden Mittagshitze Berge zu erklimmen und mit Gegenwinden zu kaempfen.

Aber ja, aus diesen Gruenden fuehle ich mich momentan um 8 Uhr total ausgeschlafen. Aber keine Angst, das aendert sich bestimmt wieder ;).

Auf der Suche nach meiner Motivation

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Wunderschoene leere Strasse

Wie immer wollen wir von den Autobahnen weg und folgen daher Peters (unser zukuenftiger Gastgeber) Empfehlung, die alte Marlborough-Sarina Strasse in Richtung Mackay zu fahren.

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Tote Schlange

In den naechsten Tagen werden wir den alten Highway lang fahren, wenige Autos, dafuer viele Kaengarus und eine Schlange sehen. Wir werden viel Sonne abbekommen, unzaehlige Huegel rauf und runter fahren, mit Gegenwind kaempfen und schliesslich Bruce kennenlernen. Und mittendrin bekomme ich eine Lektion in Sachen Motivation.

Bevor es losgeht, machen wir einen Grosseinkauf, da es in den naechsten Tagen keine richtigen Einkaufsmoeglichkeiten gibt und schleppen am Ende viel zu viele Lebensmittel mit uns rum. Und wie ihr wisst, bin ich ein bisschen verrueckt, wenn es um Essen geht.

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Ausgetrocknete Weideflaechen

Wir geniessen den ersten Tag auf den ruhigen Strassen und merken, wie es um uns rum immer trockener wird. Die Wasserloecher, die uns Peter zum Schwimmen empfohlen hat, koennen wir nicht finden. Hier hat es lange nicht mehr geregnet. Es gibt wenig Schatten und die Sonne ist unglaublich stark. Als wir eine Pause machen, haelt jemand an, um ein bisschen zu reden und so lernen wir Bruce kennen.

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Bruce macht ein Foto von uns

Er ist auf dem Weg zu einem Arbeitstreffen und bevorzugt genau wie wir die ruhigere Strasse. Und wir koennen unser Glueck kaum fassen, als er seine Kuehltasche aufmacht und uns einen Eiskaffee ueberreicht! Ganz im Ernst – bei diesen Temperaturen gibt es nichts besseres als ein eisgekuehltes Getraenk! Und Bruce verspricht uns sogar, sich am naechsten Tag auf seinem Rueckweg nochmal mit uns zu treffen. Wow!

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Bruce und Torsten

Am Abend kommen wir in Clarke Creek an, einem kleinen Dorf inmitten von grossen Kuhweiden. Die Schuldirektorin erlaubt uns, unser Zelt im Schulgarten aufzustellen – wie cool!

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Zelten im Schulgarten

Am naechsten Tag versuchen wir frueh aufzustehen, um die Mittagshitze zu vermeiden. Naja, immerhin schaffen wir es, um 8 Uhr loszukommen, das ist schon gut fuer uns. Das Radeln am Morgen ist angenehm, da es noch nicht so heiss ist. Je spaeter es wird, desto mehr kaempfe ich aber.

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Huegel in der Ferne

Weit weg von anderen Menschen und von Wasser und dazu der konstante Gegenwind und die nie endenden Huegel in der bruetenden Sonne – das ist mit der Zeit ganz schoen anstrengend. Ich habe keine Lust mehr, moechte nur noch meckern und lasse das auch Torsten wissen. Mehrfach.

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Trockenes Land

Ich finde alles ziemlich doof, bis ich auf einmal merke, dass es diesmal nicht mein Koerper ist, der mit der Herausforderung nicht zurecht kommt. Im Gegenteil zum Anfang dieser Tour, wo ich waehrend Steigungen oft anhalten musste, um meinen Beinen eine Pause zu goennen, ist mein Koerper nicht muede. Klar, die Sonne ist anstrengend, aber meine Beine sind okay. Es ist meine Motivation, die nicht so ganz mitmacht. Und da Torstens Versuche, mich aufzuheitern nicht so ganz erfolgreich sind, merke ich, dass ich was an meiner Einstellung aendern muss, um die Tour weiter zu geniessen.

Und so versuche ich mich an verschiedenen Motivationsstrategien, an die ich mich gar nicht mehr im Detail erinnere. Was wohl am meisten veraendert, ist die Erkenntnis selbst. Und dass ich meine Gefuehle erstmal von der Schlussfolgerung trenne. Vorher habe ich mich schlecht gefuehlt und hatte keine Lust mehr, weil ich dachte, dass ich muede bin und dass das alles zu anstrengend fuer meinen Koerper ist. Und demzufolge konnte ich nicht mehr weiter fahren. Jetzt bin ich immer noch muede von der Sonne, aber meine Muskeln sind wach und ich merke, dass ich Dinge finden muss, mit denen ich mich beschaeftigen kann. Gute statt schlechte Gedanken. Normalerweise ist das kein Problem, weil es genug Ablenkung gibt. Nur hier – weit weg von allem – mit einer Landschaft, die sich nicht viel veraendert und immerwaehrenden Huegeln und Gegenwinden kann das schon mal langweilig und frustrierend sein.

Aber dann treffen wir Bruce wieder und er hat uns diesmal gekuehlten Joghurt mitgebracht (mmmhhh!!!) und isotonische Getraenke aus dem Kuehlfach. Danke Bruce!

Und am Abend, nach einem langen langen Tag, treffen wir zwei Camper, die auf der Suche nach seltenen Voegeln sind. Es ist ganz wunderbar, sich mit ihnen zu unterhalten, zu lachen und Geschichten zu teilen. Und mir faellt auf, dass das einfach alles besser macht. Mein Mangel an Motivation liegt auch an dem Mangel an Menschen in den letzten Tagen. So schoen es allein in der Natur ist – umso schoener ist es dann, das mit anderen Menschen zu teilen!

Fahrradreise als Vollzeitjob

So sehr ich Fahrradfahren mag – und ich geniesse gerade das Fahrradreisen sehr – manchmal fuehlt sich unsere Tour wie ein Vollzeitjob mit Ueberstunden an. In letzter Zeit bin ich staendig beschaeftigt und komme kaum zur Ruhe. Meistens stehen wir um 7 oder 8 Uhr auf, fruehstuecken und packen unsere Sachen. Wenn wir bei jemanden im Gaestezimmer geschlafen und unsere Dinge nicht zu sehr ausgebreitet haben, kann das schnell gehen. Ein bisschen laenger dauert es meistens, wenn wir das Zelt abbauen muessen.

Our already deflated tent between lots of campervans on the Marlborough Hotel Grounds
Zeltabbau beim Marlborough Hotel

Meistens sind wir dann gegen 9 oder 10 Uhr auf dem Rad und fahren so ca. 30km bis zur Mittagspause. Danach fahren wir weitere 30 bis 80 km bis wir unser Tagesziel erreichen / es dunkel wird / wir zu muede sind um weiter zu fahren. Zwischendrin machen wir natuerlich mehrere Pausen, um zu essen und Fotos zu machen oder Saft bzw. manchmal auch ungesuendere Getraenke zu trinken. Wenn wir an unserem Tagesziel ankommen, reden wir mit unseren Gastgeber_innen / bauen unser Zelt auf und machen es uns gemuetlich. Meistens haben wir dann auch schon wieder ziemlich Hunger, so dass wir Essen kochen – manchmal draussen auf unserem Kocher und manchmal in einer voll ausgestatteten Kueche mit unseren Gastgeber_innen.

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Beim Kaffee machen. Wir kochen aber auch damit ;).

Um das Radeln zu ermoeglichen, organisieren wir alle moeglichen Sachen zwischendrin: Supermaerkte finden und einkaufen steht meist an oberster Stelle. Obst und Gemuese kaufen wir wenn moeglich an kleinen Staenden am Strassenrand.

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Obst- und Gemuesestand

Ziemlich wichtig ist fuer uns auch, jeden Tag eine Wasserquelle zu finden. Manchmal ist das ganz einfach, weil es oeffentliche Toiletten mit Trinkwasserzugang gibt oder Wasserhaehne an Straenden. Manchmal ist aber auch nur trockenes Land um uns rum und wir fragen an Bauernhoefen mit Regenwassertanks.

Unsere Kocher laufen mit Benzin, Gas oder Kochbenzin, was wir auch in regelmaessigen Abstaenden auftreiben muessen. Weitere Dinge, die uns beschaeftigen, sind: die richtigen Bremskloetze zu finden, ein Paket von der Poststelle abzuholen, die Fahrraeder reinigen und in Ordnung halten, Platten reparieren, die Maentel wechseln und so weiter und so weiter.

Einen Teil unserer Tage verbringen wir immer damit, unsere Route zu planen und zu ueberlegen, wo wir eigentlich hin wollen (schau nach, wo wir gerade sind).  Das laeuft meistens in mehreren Stadien ab: Momentan sprechen wir im Sinne einer Grobplanung beispielsweise darueber, ueber welche Inseln wir in Indonesien radeln wollen, weil das noch weit weg ist. In Bezug auf Australien haben wir uns heute entschieden, welche Strasse wir fuer die naechsten vier Tage nehmen wollen. Das war relativ einfach, weil es nur zwei Optionen gibt, um Mackay zu erreichen. Manchmal entscheiden wir aber auch erst am Morgen, welche kleinen oder grossen Strassen wir genau nehmen, solange uns die grobe Richtung klar ist. Und manchmal sogar erst, wenn wir an einer Kreuzung stehen und uns entscheiden muessen. Trotz aller Spontaneitaet – das ist ein wichtiger Teil unserer Tage.

Weiterhin sammeln wir Ideen und waegen langfristig ab, wie wir Australien verlassen wollen (Boot / Flug) und mit welchem Visum wir am besten nach Indonesien einreisen. Und alle paar Tage reden wir auch ueber Gegenden, die noch weiter in unserer Radelzukunft liegen – momentan meist ueber Suedostasien.

Alles in allem ist das eine ganze Menge, die bedacht werden will. Am anstrengendsten finde ich oft, dass es uns selten gelingt, diese Dinge direkt von der Liste abzuhaken. Meistens passiert irgend etwas Unerwartetes oder wir finden nicht, was wir brauchen / wollen oder die Zeit vergeht viel zu schnell. Es ist anders als zuhause, wo ich genau weiss, wo ich welches Essen oder Sport- und Campingzubehoer kaufen kann und wo der Wasserhahn mit Trinkwasser ist.

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Eine leicht zu findende Trinkwasserquelle in Toms wunderschoenem Haus in Rockhampton.

Wir finden diese Dinge immer wieder neu heraus. Das laeuft manchmal ganz glatt und kann andere Male furchtbar anstrengend sein und viel Zeit beanspruchen. Eben wie ein Vollzeitjob mit Ueberstunden. Was ich gerade oft vermisse, ist Zeit ohne etwas erledigen zu muessen, Zeit zu lesen und zu schreiben. Zeit, um Menschen kennen zu lernen oder auch Zeit fuer mich alleine.

Oft entspanne ich sobald ich auf dem Fahrrad sitze, weil ich dann Zeit habe, meine Gedanken wandern zu lassen oder mich einfach nur aufs Fahrradfahren zu konzentrieren. Und ansonsten haben wir beschlossen, dass wir mehr Pausentage brauchen (das sind die Tage an denen wir nicht von einem Ort zum naechsten fahren, sondern Zeit fur Erledigungen und Arbeit haben), um auch ein bisschen tatsaechliche Pausen unterzukriegen. In diesem Sinne, ich bin dann mal weg!

 

Festival, Essensgelueste und alte Komfortzonen

Als wir Tom nach einem Schlafplatz in Rockhampton fragen, laedt er uns ein, ihn zum Yeppoon Village Festival zu begleiten oder es uns alternativ in seinem Haus gemuetlich zu machen. Wow – das sind mal Optionen!

Da wir eher spaet in Rockhampton ankommen werden, entschliessen wir uns, erstmal eine Nacht in seinem Haus zu schlafen und ihn am naechsten Tag auf dem Festival zu treffen. Nach unserem laengsten Tag bisher (111km) sind wir voellig begeistert von Toms Haus: Vor einigen Jahrzehnten in typischer Queenslander Tradition auf Stelzen gebaut, wurde es von Tom kreativ renoviert und ich mag besonders die Toilette und das Badezimmer!

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p1110745Nach unserem ersten Rundgang durch das Haus faehrt Torsten nochmal los, um Lebensmittel fuer das Abendessen und Fruehstueck einzukaufen. Den Supermarkt haben wir auf unserem Hinweg schon gefunden, aber wir wollten erst mal ankommen. Nach ungefaehr einer Stunde kommt er mit Cider und Bier wieder, aber ohne Essen. Hm, in Rockhampton machen die Supermaerkte am Samstag anscheinend  um 5 Uhr zu!

Und ploetzlich bin ich voellig fertig und verzweifelt, weil ich nicht das Essen bekomme, auf das ich mich eingestellt und gefreut habe. Ich fuehle mich als waere ich 4 Jahre alt und jemand wuerde mir mein Lieblingsessen verweigern ohne mir zu sagen warum. Es ist nicht so als wuerden wir verhungern – wir haben noch genug Essen und Tom hat uns auch angeboten, uns aus seinem Kuehlschrank zu bedienen. Aber irgendwie bin ich in Bezug auf Essen in der letzten Zeit zu oft jenseits meiner Komfortzone.

Unsere beiden Essenstaschen sind an Torstens Rad festgemacht und da auswaerts essen in Australien viel zu teuer ist, kochen wir meistens selbst. Normalerweise decken wir uns in grossen Supermaerkten mit Essen ein und kaufen Obst und Gemuese an kleinen Staenden neben der Strasse und was wir sonst noch so brauchen in kleineren Laeden. Das funktioniert meist gut und wir kochen beide gerne und genau so wie wir es eben moegen. Aber: Die Dinge, die wir in den Fahrradtaschen mit uns tragen koennen, sind begrenzt. Das heisst, dass die Essensauswahl eben auch begrenzt ist. Zuhause habe ich 5 Minuten von dem naechsten Supermarkt entfernt gewohnt und wenn ich auf irgendetwas Lust hatte, bin ich schnell rueber gelaufen. Das funktioniert auf Fahrradreisen nicht wirklich. Manchmal haben wir Glueck und der naechste Supermarkt ist nicht weit weg oder wir haben das auf was ich Lust habe, gerade eingekauft. Aber manchmal klappt das alles nicht und wir muessen mit dem auskommen was wir haben.

Zu meiner Ueberraschung war das nicht immer einfach fuer mich. Da lassen sich nun alle moeglichen Ueberlegungen anstellen, warum das wohl so ist – zu viel Auswahl und staendige Verfuegbarkeit von Essen in westlichen Gesellschaften ist eine davon. Was mir aber in dem Fall am wahrscheinlichsten vorkommt, ist, dass Essen und eine mir bekannte Essensauswahl eine Art Sicherheit darstellt. Meine Beduerfnisse mit etwas zu befriedigen, was ich kenne und weiss woher ich es bekommen kann, kann ein Gefuehl von Sicherheit und Behaglichkeit sein. Und das ist – gerade nach einem Tag voll Fahrradfahren und Begegnungen mit neuen Dingen und Menschen – manchmal ganz schoen wichtig.

p1110730_v1Als wir uns am naechsten Tag auf den Weg zum Festival machen, dauert es eine Weile, bis wir uns zurecht finden und Buehnen und die Musik, die wir moegen, entdecken. Am Ende finden wir alles und geniessen es sehr: Wir lauschen einer Saengerin, Sahara Beck, die eine wundervoll starke Stimme hat und freuen uns an diesem Geschenk. Und wir treffen endlich auch Tom und seine Freunde und ich finde es total spannend, mehr ueber seinen Job heraus zu finden. Er arbeitet bei einer Organisation, die mit Landwirt_innen vor Ort verhandelt, um zu verhindern, dass zu viele Schadstoffe vom Regen in das Great Barrier Reef gewaschen werden.

Am Ende ist es immer irgendwie gut. Es wird immer gutes Essen geben – vielleicht nur anders als ich erwarte. Und es wird immer diese einzigartigen Momente geben, in denen man neuer Musik lauscht oder inspirierende Menschen trifft. Das wird manchmal laenger dauern oder einige Umwege erfordern. Und du wirst nie ganz wissen, was dabei herauskommt. Aber das ist doch irgendwie das, was Reisen ausmacht. Sich auf das Unbekannte einlassen, mit neuen Dingen zurechtkommen und die Bequemlichkeit hinter sich zu lassen. Nur um sich auf neue Art und neuen Wegen wohl zu fuehlen, immer und immer wieder.

 

Fahrradpause und Regen

Heute steht Ausruhen im Vordergrund: Gestern war zu anstrengend und ich brauche ein oder zwei Tage ohne Fahrradfahren. Daher ist unser heutiges Ziel, zu dem angedachten Zeltplatz von gestern zu fahren und den restlichen Tag nichts zu tun. Natuerlich habe ich einen Platten und so wird der Morgen erst mal mit Flicken verbracht. Relativ spaet machen wir uns dann gegen 11 Uhr auf den Weg, aber wir haben heute ja auch keine Eile. Nach kurzen und wunderbar flachen 13km kommen wir im Bush Chooks Travellers Village an und von da an passt einfach alles. Chris, der Eigentuemer heisst uns mit einem herzlichen Lachen willkommen und ich fuehle mich sofort wohl und zuhause.

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Rasen fuer Zelte mit Pool im Hintergrund

Wir stellen unser Zelt auf und ich mag den Aufbau des Campingplatzes: Es sieht wirklich wie ein kleines Dorf aus – mit einem Stueck Gras fuer Zelte und Wohnmobile in der Mitte und einige kleine Huetten drum rum. Und das wichtigste – es gibt eine perfekt ausgestattete Campingkueche! Das ist eine willkommene Abwechslung zu unserem kleinen Kocher. Ich glaube wir ueberlegen hoechstens 5 Minuten bevor wir uns entscheiden, zwei Naechte zu bleiben.

p1110703Und dann machen uns Chris und seine Frau das beste Geschenk: Sie lassen uns fuer den selben Preis, den wir mit Zelt bezahlt haetten, in einer kleinen Huette mit echtem Bett und eigenem Badezimmer uebernachten!

Best relaxing stay at Bush Chooks Travellers Village with Free Upgrade from Tent to a comfortable bed with...
Wunderbar erholsamer Kurzurlaub im Bush Chooks Travellers Village mit bequemen Bett…
... our own bathroom!!!
… und eigenem Badezimmer!!!

Zu diesem Zeitpunkt fuehle ich mich wie im Himmel! Und so verbringen wir die naechsten Tage mit viel Nichtstun, Essen und ein bisschen Bloggen, Arbeiten und noch mehr Essen. Das ist alles was wir gerade brauchen. Danke, Chris!

Die beiden darauffolgenden Tage sind einfach, weil es fast ausschliesslich flach ist. Wir radeln ungefaehr 100km bis Gladstone und lernen auf dem Weg, dass Trivia Games (Ratespiele) beim Wachbleiben auf der Strasse helfen.

p1110707Bis jetzt hatte ich auf dem Fahrad wenig Probleme, wach zu bleiben, aber wer weiss ;). Ansonsten radeln wir auf einer Schnellstrasse und es passiert wenig ausser… Regen! In unserer ganzen bisherigen Fahrradtour, sind wir – bis auf ein wenig Nieselregen in den ersten beiden Tagen – nicht wirklich nass geworden. Der Regen ist also eine willkommene Abwechslung zu der heissen Sonne und wir geniessen die warmen Tropfen auf der Haut. Es ist ein ganz leichter aber sehr dichter Regen, so dass wir im Laufe des Tages mehrmals voellig nass werden, nur um dann in der Sonne und im Wind wieder schnell zu trocken und von vorne… Aber ich bin sehr dankbar mal eine Sonnenpause zu haben – wer haette das gedacht!

In Gladstone treffen wir unseren Gastgeber Stephen, der ein grosses Haus hat und viele Couchsurfer willkommen heisst. Es ist entspannt, mit ihm zu reden, zu essen und ein bisschen von seinen diversen selbstgemachten Alkoholika zu probieren ;). Leider ist ein Abend viel zu kurz, um noch dazu sein Freiluftkino auszuprobieren. Das hat Stephen selbst gebaut und ich habe grosse Lust, sowas auch zu machen, wenn ich irgendwann in den naechsten Jahren mal laenger an einem Ort bin.

Als wir aus Gladstone rausfahren, haben wir eine komische Begegnung: Wir halten auf dem Seitenstreifen einer ziemlich ruhigen Strasse an, um ein Foto zu machen. Schliesslich bemerken wir einen Mann in einem Auto, der direkt hinter uns mitten auf der Strasse anhaelt und nicht weiterfaehrt. Wir machen weiter Fotos und er wartet weiter. Irgendwann wundern wir uns ein bisschen und fragen uns, ob er sich wohl daran stoert, dass wir Fotos auf dem Seitenstreifen machen. Momentan ohne grosses Interesse an einer Diskussion schieben wir die Raeder auf das Gras neben der Strasse. Daraufhin ueberholt er uns, haelt wieder an, steigt aus und kommt zu uns.

Er: “Wisst ihr, dass ich euch nicht ueberholen darf, wenn ihr auf dem Seitenstreifen steht? In der Mitte der Strasse ist eine durchgezogene Linie und da darf ich nicht drueber fahren und ich muss euch einen Meter Platz geben.”

Ich: “Es tut mir leid, aber das stimmt nicht. Wir haben das gerade erst auf der offiziellen Seite der Regierung von Queensland nachgeschaut. Sie duerfen ueber einfache und doppelt durchgezogene Linien fahren, um Fahrradfahrer_innen einen Meter Platz zu geben.”

Er: “Nein, das stimmt nicht. Da sind Sie im Unrecht.”

Ich: “Wir haben das wirklich gerade erst auf der Regierungsseite gelesen.”

Er: “Nein, das ist… ”

Ihr koennt euch vorstellen, wie das Gespraech weiter geht. Torsten schaut waehrenddessen nochmal auf dem Smartphone nach und zeigt ihm die offizielle Information.

Er:” Oh tatsaechlich, das wusste ich nicht. Naja, dann haben wir heute wohl alle was gelernt.”

Aeh, ja.

p1110716Der restliche Tag sieht ungefaehr so aus wie in diesem Bild. Ich geniesse immer noch die Regenschauer, bin aber auch dankbar fuer eine Tankstelle mit einem Dach, um zu essen und einen Kaffee zu trinken. Und noch besser: Wir haben Rueckenwind, der uns direkt bis nach Rockhampton blaest. Hier bleiben wir fuer ein Festival und ein bisschen Entspannung – mehr dazu naechstes Mal!

Durch die Waelder

p1110619 Ein neuer Tag beginnt und es ist ein ruhiger Radeltag mit wenig Verkehr. Kurz nachdem wir Rae und Bobs Haus verlassen, halten wir nochmal an und Torsten zieht seinen wackeligen Vorderradgepaecktraeger fest. Danach verliere ich mich in meinen Gedanken waehrend wir gemuetlich ueber Berge und Sandstrassen fahren. Ich bin auch ein bisschen traurig. Die Zeit mit Rae und Bob war einfach wunderschoen: Ich habe lange nicht mehr so viel gelacht und wir haben uns schnell sehr gut verstanden. Der Abschied war schwer fuer mich und ich vermisse sie ein bisschen.

p1110621Waehrend unserer Mittagspause halten zwei Bauern an und fragen, ob wir ihre entlaufenen Kuehe gesehen haben. Wir verneinen und erzaehlen ihnen ein bisschen was von unserer Tour. Die beiden lachen unglaeubig. Neben dieser Begegnung passiert nicht viel und wir finden einen Platz fuer unser Zelt als es dunkel wird.

p1110631_v1Ich stampfe laut durch das hohe Gras, um Schlangen zu vertreiben und dann goennen wir uns jede_r eine Halb-Flaschen-Dusche. Nicht sehr ergiebig, aber es gibt hier kein Wasser und unsere Vorraete reichen gerade mal noch fuers Abendessen.

Unsere erste Mission am naechsten Tag ist dann also, in ein nahegelegenes Dorf zu fahren und Wasser zu finden. Dort treffen wir eine nette Frau, die uns unsere Wasserflaschen an ihrem Regenwassertank auffuellen laesst. Wir unterhalten uns ein bisschen und radeln dann zum Strand, um zu fruehstuecken. Daran koennte ich mich gewoehnen:

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Spaeter, als wir nach Maryborough fahren, entdecken wir diese faszinierende Fledermauskolonie:

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Nachdem wir uns in Maryborough wieder mit Lebensmitteln eingedeckt haben, beginnt unsere langwierige Suche nach einem Schlafplatz. Meistens benuzten wir fuer unsere Navigation On- und Offlinekarten auf unseren Telefonen und das hat bis jetzt auch ganz gut geklappt. Aber heute schlaegt Google Maps eine Route vor, die es einfach nicht gibt. Also landen wir irgendwo zwischen Ananasfeldern und einem Wald statt einem Campingplatz mit Dusche. Aber nun gut, wir finden einen ganz gut versteckten Platz im Wald fuer unser Zelt und bauen auf. Am Morgen geniessen wir dafuer ein wunderschoenes Fruehstueck neben einem kleinen See…

p1110662 und einem Ananasfeld.

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Danach beginnt ein neuer Radeltag. Ich liebe das Licht und die Farben in Australien – das macht Fotografieren wirklich einfach.

Himmel und Erde:

p1110669Alles voller Zuckerrohrfelder:

p1110675Und Zuckerrohrfeuer (die Reste werden von den Zuckerfabriken verbrannt):

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Heute brauchen wir dringend eine Dusche und zelten daher neben einem Gasthaus. So einige Gasthaeuser bieten hier einen kostenlosen Zeltplatz (bzw. Stellplatz fuer Wohnwaegen) an, wenn man dafuer ein Bier trinkt oder etwas isst. Direkt vor dem letzten Huegel finde ich alles auf einmal furchtbar anstrengend und fuehle mich ungefaehr so langsam wie am Anfang als es bergauf ging. Das ist nicht besonders gut fuer meine Stimmung bis ich nach unten kucke und meinen ersten Platten dieser Tour entdecke. Naja, es haette zu keiner besseren Zeit kommen koennen! Ich pumpe noch einmal schnell auf, strampele den Huegel hoch und beschliesse dann, den Schlauch am Morgen zu flicken. Jetzt geniessen wir erstmal unser wohlverdientes Bier und mehr noch die Dusche in der Dixieklo / -dusche / -waschbeckenkombination. Lustig!

Der naechste Tag ist anstrengend. Wir haben online einen netten kleinen Campingplatz gefunden, der aber leider 110km weg ist. Das allein waere schon viel, aber natuerlich sind da noch so einige Huegel dazwischen und – wie koennte es anders sein – der Gegenwind macht sich heute mal wieder besonders bemerkbar. Im Laufe des Tages wird mir klar, dass weiterfahren immer anstrengender wird und noch dazu wird es schon dunkel. Wir ueberlegen, wild zu zelten, haben aber klein Glueck mit der Suche, da alles abgezaeunt ist oder sonstwie schlecht zu erreichen. Torsten macht das nicht viel aus, da er noch genug Energie hat, aber nach 100km habe ich genug. Wir haben ausserdem nicht genug Essen fuer morgen und entscheiden uns daher, in einem nahegelegenen Campingplatz neben einer Tankstelle zu bleiben. Direkt neben der Tankstelle heisst auch direkt neben der Strasse und mittendrin stehen wir eingepfercht zwischen Wohnwaegen.

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Es ist nicht besonders schön, aber es gibt Pommes und so müssen wir nicht kochen. Mit einer Serie verkriechen wir uns ins Zelt und erholen uns von dem langen Tag. Morgen geht’s weiter!