Unser Gastgeber Peter erzaehlt uns, dass Bowen ein grossartiger Ort ist, um das Great Barrier Reef direkt vom Strand aus zu sehen. Normalerweise muss man eine teure Tour buchen und wird mit einem Boot an Stellen gefahren, wo man schnorcheln oder tauchen kann. Aber in Bowen kann man vom Strand aus schnorcheln, da das Reef direkt hier anfaengt. Klingt super!
Also radeln wir auf meist ruhigen Strassen nach Norden, campen einmal mit 50 anderen Menschen und einmal alleine in einem ausgetrockneten Flussbett. Wir kaempfen mit Gegenwind und die letzten Kilometer bis nach Bowen ziehen sich extrem. Es klappt schon besser mit meiner Motivation, aber an einem gewissen Punkt ist Gegenwind einfach nur noch anstrengend.
In Bowen radeln wir zu einem Campingplatz, da die lokale Verwaltung Wildzelten streng verbietet. Die Stadt erscheint uns ziemlich touristisch, was sich vor allem in den hohen Preisen fuer alles wiederspiegelt. Wir entscheiden uns also fuer den billigsten Campingplatz, nur um bei unserer Ankunft herauszufinden, dass die Rezeption geschlossen ist. Als ich die angegebene Telefonnummer anrufe, geht niemand ran, so dass ich nur eine Nachricht hinterlasse. Besonders gut gefaellt es uns hier ohnehin nicht – es gibt fast keinen freien Platz mehr und erinnert insgesamt eher an einen ueberfuellten Parkplatz aus. Aber irgendwo muessen wir ja bleiben. Also warten wir eine halbe Stunde, aber auch dann tut sich nichts in der Rezeption. So langsam frustriert uns das etwas, da wir eigentlich nur unser Zelt aufbauen wollen, das Gepaeck abladen und dann zum Strand fahren, um zu schnorcheln. Ich versuche ein zweites Mal anzurufen, aber auch diesmal geht niemand ran.
Also entscheiden wir uns, Kaffee zu machen und etwas zu essen. Und zu duschen. Ich fuehle mich nicht ganz wohl, einfach die Dusche zu benutzen, ohne vorher eingecheckt zu haben, aber Torsten meint, dass wir ja ohnehin gleich einchecken. Also duschen wir und das war die beste Idee seit langem!
Nach ungefaehr eineinhalb Stunden wollen wir nicht laenger warten und entscheiden uns, einfach so zum Strand zu fahren. Schoen ist es hier ohnehin nicht und teuer obendrein. Vielleicht passt es daher ganz gut, nach dem Schnorcheln einfach aus der Stadt rauszufahren und uns einen Ort zum Zelten zu suchen. Natuerlich – gerade als wir aus dem Campingplatz rausfahren – kommt die Eigentuemerin im Auto angefahren und fragt mich laessig, ob ich versucht habe, sie zu erreichen. Ohne auch nur zu erklaeren, warum sie mich nicht zurueckgerufen hat. Wie auch immer, ich frage trotzdem, wie teuer eine Nacht im Zelt ist und als wir hoeren, dass es sogar noch teurer ist als gedacht, fahren wir endgueltig weiter.
Also, auf zum Strand – dafuer sind wir schliesslich hergekommen! Als wir endlich da sind, kann ich nur noch lachen: Wir unterhalten uns mit ein paar Leuten, die gerade schnorcheln waren. Sie erzaehlen uns, dass das Wasser ganz trueb ist und man fast nichts sieht. Tja, soviel zu diesem Plan.
Es ist schon lustig manchmal: Normalerweise interessieren uns die typischen touristischen Angebote und Sehenswuerdigkeiten nicht besonders. All die kleinen Dinge, die wir taeglich entdecken oder die Menschen, denen wir begegnen, sind viel spannender! Wir sind beide gerne spontan und lassen uns ueberraschen, was der Tag so bringt. Aber manchmal lassen wir uns eben doch von dem ein oder anderen touristischen Angebot in den Bann ziehen – wie eben Schnorcheln in Bowen. Und wie zu erwarten ist es insgesamt eher stressig.
Sobald wir uns entspannen und unsere Plaene ueber Bord werfen, ist es eigentlich ganz schoen. Der Strand ist nett und nach einem Snack gehen wir schwimmen und unterhalten uns mit einem Anwohner, der total begeistert ist, hier zu wohnen und jeden Tag schwimmen gehen zu koennen. Und gerade als wir gehen wollen, treffen wir einen anderen Bewohner Bowens, der uns nach einem kurzen Gespraech einlaedt, in seinem Garten zu zelten. Wir nehmen begeistert an und so geht diese komische Tag weiter.
Im Laufe der naechsten Stunden machen wir Abendessen fuer uns und unseren Gastgeber und hoeren mehreren Monologen zu. Schliesslich erfahren wir, dass der Holocaust eine grosse juedische Luege war und totaler Bloedsinn ist. Unser Gastgeber ist uebrigens selbst Jude.
Wir versuchen zu diskutieren, zu verstehen woher sein Blickwinkel kommt. Aber wir reden gegen eine Wand. Torsten geht irgendwann einfach, aber ich bleibe. Hoere hoeflich zu, probiere Argumente aus, versuche meinen Weg aus dieser Diskussion zu finden. Meine Grundwerte und Ueberzeugungen werden angegriffen und mein Magen dreht sich um. Endlich sage ich, dass es reicht und wir sagen gute Nacht.
Ich moechte einfach nur noch schlafen, am besten mit einem Kissen ueber dem Kopf. Aber Torsten ueberzeugt mich, zum nahegelegenen Strand zu gehen und zu reden. Und wir tun genau das und es tut gut. Wir reden darueber, wo unsere Grenzen liegen und dass es manchmal schwierig ist, diese Grenzen aufrecht zu erhalten, wenn man in ein anderes Zuhause eingeladen wird. Wir sprechen darueber, dass wir auf dieser Reise von vielen Menschen lernen wollen und dass es manchmal richtig und wichtig ist, zuzuhoeren und manchmal genauso wichtig, zu sagen, was wir denken und brauchen. Es wird immer wieder ein Balanceakt sein, aber das war heute definitiv eine Lernerfahrung im Grenzen setzen.
Jetzt und hier, mit dem Geraeusch der Wellen und dem Sand unter meinen Fuessen, bin ich wieder ruhig und sehr dankbar dafuer. Verrueckter Tag.