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Festival, Essensgelueste und alte Komfortzonen

Als wir Tom nach einem Schlafplatz in Rockhampton fragen, laedt er uns ein, ihn zum Yeppoon Village Festival zu begleiten oder es uns alternativ in seinem Haus gemuetlich zu machen. Wow – das sind mal Optionen!

Da wir eher spaet in Rockhampton ankommen werden, entschliessen wir uns, erstmal eine Nacht in seinem Haus zu schlafen und ihn am naechsten Tag auf dem Festival zu treffen. Nach unserem laengsten Tag bisher (111km) sind wir voellig begeistert von Toms Haus: Vor einigen Jahrzehnten in typischer Queenslander Tradition auf Stelzen gebaut, wurde es von Tom kreativ renoviert und ich mag besonders die Toilette und das Badezimmer!

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p1110745Nach unserem ersten Rundgang durch das Haus faehrt Torsten nochmal los, um Lebensmittel fuer das Abendessen und Fruehstueck einzukaufen. Den Supermarkt haben wir auf unserem Hinweg schon gefunden, aber wir wollten erst mal ankommen. Nach ungefaehr einer Stunde kommt er mit Cider und Bier wieder, aber ohne Essen. Hm, in Rockhampton machen die Supermaerkte am Samstag anscheinend  um 5 Uhr zu!

Und ploetzlich bin ich voellig fertig und verzweifelt, weil ich nicht das Essen bekomme, auf das ich mich eingestellt und gefreut habe. Ich fuehle mich als waere ich 4 Jahre alt und jemand wuerde mir mein Lieblingsessen verweigern ohne mir zu sagen warum. Es ist nicht so als wuerden wir verhungern – wir haben noch genug Essen und Tom hat uns auch angeboten, uns aus seinem Kuehlschrank zu bedienen. Aber irgendwie bin ich in Bezug auf Essen in der letzten Zeit zu oft jenseits meiner Komfortzone.

Unsere beiden Essenstaschen sind an Torstens Rad festgemacht und da auswaerts essen in Australien viel zu teuer ist, kochen wir meistens selbst. Normalerweise decken wir uns in grossen Supermaerkten mit Essen ein und kaufen Obst und Gemuese an kleinen Staenden neben der Strasse und was wir sonst noch so brauchen in kleineren Laeden. Das funktioniert meist gut und wir kochen beide gerne und genau so wie wir es eben moegen. Aber: Die Dinge, die wir in den Fahrradtaschen mit uns tragen koennen, sind begrenzt. Das heisst, dass die Essensauswahl eben auch begrenzt ist. Zuhause habe ich 5 Minuten von dem naechsten Supermarkt entfernt gewohnt und wenn ich auf irgendetwas Lust hatte, bin ich schnell rueber gelaufen. Das funktioniert auf Fahrradreisen nicht wirklich. Manchmal haben wir Glueck und der naechste Supermarkt ist nicht weit weg oder wir haben das auf was ich Lust habe, gerade eingekauft. Aber manchmal klappt das alles nicht und wir muessen mit dem auskommen was wir haben.

Zu meiner Ueberraschung war das nicht immer einfach fuer mich. Da lassen sich nun alle moeglichen Ueberlegungen anstellen, warum das wohl so ist – zu viel Auswahl und staendige Verfuegbarkeit von Essen in westlichen Gesellschaften ist eine davon. Was mir aber in dem Fall am wahrscheinlichsten vorkommt, ist, dass Essen und eine mir bekannte Essensauswahl eine Art Sicherheit darstellt. Meine Beduerfnisse mit etwas zu befriedigen, was ich kenne und weiss woher ich es bekommen kann, kann ein Gefuehl von Sicherheit und Behaglichkeit sein. Und das ist – gerade nach einem Tag voll Fahrradfahren und Begegnungen mit neuen Dingen und Menschen – manchmal ganz schoen wichtig.

p1110730_v1Als wir uns am naechsten Tag auf den Weg zum Festival machen, dauert es eine Weile, bis wir uns zurecht finden und Buehnen und die Musik, die wir moegen, entdecken. Am Ende finden wir alles und geniessen es sehr: Wir lauschen einer Saengerin, Sahara Beck, die eine wundervoll starke Stimme hat und freuen uns an diesem Geschenk. Und wir treffen endlich auch Tom und seine Freunde und ich finde es total spannend, mehr ueber seinen Job heraus zu finden. Er arbeitet bei einer Organisation, die mit Landwirt_innen vor Ort verhandelt, um zu verhindern, dass zu viele Schadstoffe vom Regen in das Great Barrier Reef gewaschen werden.

Am Ende ist es immer irgendwie gut. Es wird immer gutes Essen geben – vielleicht nur anders als ich erwarte. Und es wird immer diese einzigartigen Momente geben, in denen man neuer Musik lauscht oder inspirierende Menschen trifft. Das wird manchmal laenger dauern oder einige Umwege erfordern. Und du wirst nie ganz wissen, was dabei herauskommt. Aber das ist doch irgendwie das, was Reisen ausmacht. Sich auf das Unbekannte einlassen, mit neuen Dingen zurechtkommen und die Bequemlichkeit hinter sich zu lassen. Nur um sich auf neue Art und neuen Wegen wohl zu fuehlen, immer und immer wieder.

 

Fahrradpause und Regen

Heute steht Ausruhen im Vordergrund: Gestern war zu anstrengend und ich brauche ein oder zwei Tage ohne Fahrradfahren. Daher ist unser heutiges Ziel, zu dem angedachten Zeltplatz von gestern zu fahren und den restlichen Tag nichts zu tun. Natuerlich habe ich einen Platten und so wird der Morgen erst mal mit Flicken verbracht. Relativ spaet machen wir uns dann gegen 11 Uhr auf den Weg, aber wir haben heute ja auch keine Eile. Nach kurzen und wunderbar flachen 13km kommen wir im Bush Chooks Travellers Village an und von da an passt einfach alles. Chris, der Eigentuemer heisst uns mit einem herzlichen Lachen willkommen und ich fuehle mich sofort wohl und zuhause.

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Rasen fuer Zelte mit Pool im Hintergrund

Wir stellen unser Zelt auf und ich mag den Aufbau des Campingplatzes: Es sieht wirklich wie ein kleines Dorf aus – mit einem Stueck Gras fuer Zelte und Wohnmobile in der Mitte und einige kleine Huetten drum rum. Und das wichtigste – es gibt eine perfekt ausgestattete Campingkueche! Das ist eine willkommene Abwechslung zu unserem kleinen Kocher. Ich glaube wir ueberlegen hoechstens 5 Minuten bevor wir uns entscheiden, zwei Naechte zu bleiben.

p1110703Und dann machen uns Chris und seine Frau das beste Geschenk: Sie lassen uns fuer den selben Preis, den wir mit Zelt bezahlt haetten, in einer kleinen Huette mit echtem Bett und eigenem Badezimmer uebernachten!

Best relaxing stay at Bush Chooks Travellers Village with Free Upgrade from Tent to a comfortable bed with...
Wunderbar erholsamer Kurzurlaub im Bush Chooks Travellers Village mit bequemen Bett…
... our own bathroom!!!
… und eigenem Badezimmer!!!

Zu diesem Zeitpunkt fuehle ich mich wie im Himmel! Und so verbringen wir die naechsten Tage mit viel Nichtstun, Essen und ein bisschen Bloggen, Arbeiten und noch mehr Essen. Das ist alles was wir gerade brauchen. Danke, Chris!

Die beiden darauffolgenden Tage sind einfach, weil es fast ausschliesslich flach ist. Wir radeln ungefaehr 100km bis Gladstone und lernen auf dem Weg, dass Trivia Games (Ratespiele) beim Wachbleiben auf der Strasse helfen.

p1110707Bis jetzt hatte ich auf dem Fahrad wenig Probleme, wach zu bleiben, aber wer weiss ;). Ansonsten radeln wir auf einer Schnellstrasse und es passiert wenig ausser… Regen! In unserer ganzen bisherigen Fahrradtour, sind wir – bis auf ein wenig Nieselregen in den ersten beiden Tagen – nicht wirklich nass geworden. Der Regen ist also eine willkommene Abwechslung zu der heissen Sonne und wir geniessen die warmen Tropfen auf der Haut. Es ist ein ganz leichter aber sehr dichter Regen, so dass wir im Laufe des Tages mehrmals voellig nass werden, nur um dann in der Sonne und im Wind wieder schnell zu trocken und von vorne… Aber ich bin sehr dankbar mal eine Sonnenpause zu haben – wer haette das gedacht!

In Gladstone treffen wir unseren Gastgeber Stephen, der ein grosses Haus hat und viele Couchsurfer willkommen heisst. Es ist entspannt, mit ihm zu reden, zu essen und ein bisschen von seinen diversen selbstgemachten Alkoholika zu probieren ;). Leider ist ein Abend viel zu kurz, um noch dazu sein Freiluftkino auszuprobieren. Das hat Stephen selbst gebaut und ich habe grosse Lust, sowas auch zu machen, wenn ich irgendwann in den naechsten Jahren mal laenger an einem Ort bin.

Als wir aus Gladstone rausfahren, haben wir eine komische Begegnung: Wir halten auf dem Seitenstreifen einer ziemlich ruhigen Strasse an, um ein Foto zu machen. Schliesslich bemerken wir einen Mann in einem Auto, der direkt hinter uns mitten auf der Strasse anhaelt und nicht weiterfaehrt. Wir machen weiter Fotos und er wartet weiter. Irgendwann wundern wir uns ein bisschen und fragen uns, ob er sich wohl daran stoert, dass wir Fotos auf dem Seitenstreifen machen. Momentan ohne grosses Interesse an einer Diskussion schieben wir die Raeder auf das Gras neben der Strasse. Daraufhin ueberholt er uns, haelt wieder an, steigt aus und kommt zu uns.

Er: “Wisst ihr, dass ich euch nicht ueberholen darf, wenn ihr auf dem Seitenstreifen steht? In der Mitte der Strasse ist eine durchgezogene Linie und da darf ich nicht drueber fahren und ich muss euch einen Meter Platz geben.”

Ich: “Es tut mir leid, aber das stimmt nicht. Wir haben das gerade erst auf der offiziellen Seite der Regierung von Queensland nachgeschaut. Sie duerfen ueber einfache und doppelt durchgezogene Linien fahren, um Fahrradfahrer_innen einen Meter Platz zu geben.”

Er: “Nein, das stimmt nicht. Da sind Sie im Unrecht.”

Ich: “Wir haben das wirklich gerade erst auf der Regierungsseite gelesen.”

Er: “Nein, das ist… ”

Ihr koennt euch vorstellen, wie das Gespraech weiter geht. Torsten schaut waehrenddessen nochmal auf dem Smartphone nach und zeigt ihm die offizielle Information.

Er:” Oh tatsaechlich, das wusste ich nicht. Naja, dann haben wir heute wohl alle was gelernt.”

Aeh, ja.

p1110716Der restliche Tag sieht ungefaehr so aus wie in diesem Bild. Ich geniesse immer noch die Regenschauer, bin aber auch dankbar fuer eine Tankstelle mit einem Dach, um zu essen und einen Kaffee zu trinken. Und noch besser: Wir haben Rueckenwind, der uns direkt bis nach Rockhampton blaest. Hier bleiben wir fuer ein Festival und ein bisschen Entspannung – mehr dazu naechstes Mal!